Interview mit Dennis Gastmann

Geschlossene Gesellschaft - Ein Reichtumsbericht
Interview mit Dennis Gastmann

Bild: Copyright Frank Zauritz

GG (Grenzgeschichten):  Was hat Sie an dem Thema interessiert?

DG (Dennis Gastmann) :  Der Impuls war eigentlich der geschönte Armutsbericht der Bundesregierung. Ich habe das gelesen und mich gefragt, wer berichtet eigentlich über die Reichen und macht einen Reichtumsbericht? Mich hat natürlich diese Welt interessiert, die ja immer so mit Glanz und Glamour umgeben ist und ich wollte wissen, ist das wirklich so. Dahinter stand eigentlich die profane Frage: Macht Geld glücklich?

GG:  Sind die Reichen eigentlich alle gleich? Gibt es auch nette Personen?

DG: Mir ging es am Anfang auch so, ich wollte die Reichen hassen. Aber ich habe im Laufe der Zeit immer mehr Verständnis bekommen, weil mir ein paar Leute wirklich ihre Herzen, ihre Seelen geöffnet haben. Es ist tatsächlich so, dass man jeden Reichen differenziert betrachten muss. Also jemand der geerbt hat, ist in der Regel  ganz anders als jemand, der sich alles selbst erarbeitet hat. Man kann sie also nicht alle verallgemeinern.

GG: Haben Ihnen viele erzählt, wie sie reich geworden sind?

DG: Es gibt über diese Leute schon Fachliteratur, Biographien und viele Legenden, also musste ich diesen Teil nicht extra ansprechen. Aber es ist natürlich immer der spannende Teil der Geschichte. Zum Beispiel der Schraubenmilliardär Reinhold Würth, der so auf sieben bis acht Milliarden Euro geschätzt wird. Der hat mit 19 Jahren den Schraubenhandel seines Vaters übernehmen müssen, der plötzlich verstorben ist an einem Herzinfarkt und der hat es dann geschafft unter diesen Druck, vielleicht auch unter diesem Trauma, ein Unternehmen von mehreren tausend Mitarbeitern zu schaffen.  

Andere Leute hatten geerbt, zum Beispiel der älteste Sohn von Gunter Sachs, Rolf Sachs. Es war aber nicht so, dass er es verprasst hat, das wurde ihm nur unterstellt. Er war ein sehr  kreativer, sehr fleißiger Mensch, der aber gar nicht so sehr nach außen gekehrt ist, also überhaupt nicht das Klischee vom Lamborghini-fahrenden, wohlhabenden Erben erfüllt. Es ist unfair, die Reichen für ihren Reichtum zu verurteilen. Manchmal ist das schon fast wie ein Stigma, unter dem manche auch tatsächlich leiden.

GG: Wären Sie auch gerne reich?

DG: Ich muss sagen, ja ich hätte gerne etwas mehr, sage ich ganz offen, andererseits misst sich mein persönlicher Reichtum in anderen Kategorien. Ich bin jemand, der viel reisen kann, der glücklich verlobt ist und der sich gesund fühlt und eine intakte Familie hat. Das klingt kitschig, aber für mich ist das eine Form von Reichtum. Die Millionäre, die ich getroffen habe, haben oft beneidenswerte Autos, Villen oder Yachten aber ich möchte mit keinem tauschen.

GG:  Macht Reichtum eigentlich auch unglücklich?

DG: Es kann sehr einsam machen. Gerade bei Menschen, die ihr Vermögen geerbt oder gewonnen haben. Dann tauchen sehr schnell Leute auf, die sagen, das hast du jetzt aber nicht verdient. Oder andere kommen und wollen etwas von diesem Reichtum abhaben. Das kann dazu führen, dass sich diese Leute verfolgt fühlen. Sie trauen niemandem mehr und schotten sich komplett ab. Das ist vielleicht der Fluch des Geldes.

GG: Haben die Reichen auch Personal?

DG: Interessant für mich war der Besuch einer Butlerschule im niederländischen Valkenburg. Das ist ein ziemlicher Crashkurs, der geht so sechs bis acht Wochen. Dort wird gelehrt, wie sich ein Butler in einem großen Haus zu verhalten hat. Zum Beispiel, dass man zwar im Raum da ist, aber auch nicht da ist. Es geht darum, eine Symbiose mit seinem Herrn oder seiner Dame einzugehen.  Man muss vorausahnen, was derjenige oder diejenige möchte, bevor sie es schon weiß. Das heißt, wenn man das Gefühl hat, mein Vorgesetzter möchte rauchen, dann eile ich ihm schon entgegen mit dem Aschenbecher und dem Feuerzeug. Butlern kann übrigens sehr lukrativ sein – momentan bilden die viel für den chinesischen Markt aus.

GG:  Wie sieht der Alltag der Reichen aus? Arbeiten die den ganzen Tag oder haben sie auch Freizeit?

DG: Ganz unterschiedlich. Also es gibt diese typischen schwäbischen Unternehmer, die selbst mit einem Milliarden-Vermögen im Rücken immer noch akribisch arbeiten und sich keinen freien Tag leisten, selbst Sonntag sich daran machen und ihren Mitarbeitern das sparsam Schwäbische vorleben. Und dann gibt es natürlich auch Leute, die nicht arbeiten; zum Beispiel in Monaco hab ich eine Dame getroffen. Es war eine Baroness, die hat dreimal sehr gut geheiratet und das war ihre Lebensleistung. Die ließ sich von einem Hotel zum anderen, das nur etwa 300 Meter entfernt war, in einem Rolls Royce fahren. Die genoss jetzt das Leben.

GG: Haben Sie durch die Treffen etwas gelernt?  

DG: Wahnsinnig viel. Ich habe gelernt, weniger in schwarz und weiß zu denken. Wenn man sich viel mit den Ungerechtigkeiten in dieser Welt beschäftigt, dann kommt man schnell dazu, dass man eine Weltverschwörung der Reichen vermutet. Ich glaube, das ist komplexer als wir das denken. Aber auch wenn ich auf eine Gala gegangen bin, zum Beispiel auf eine Aids-Gala in Marbella, begleitet von Gräfin Gunilla von Bismarck und Prinzessin Bea von Auersperg, dann habe ich viel über Manieren und Codes gelernt. Da war gar nicht so entscheidend, wie viel du auf dem Konto hast, sondern ob du dieser Gesellschaft gerecht werden kannst – kannst du Smalltalk, weißt du, dass du mit aufstehen musst, wenn die Dame den Tisch verlässt – das fand ich sehr beeindruckend.

GG: War es leicht, in diese Gesellschaft reinzukommen?

DG: Das war wahnsinnig schwer, in diese Gesellschaft reinzukommen – deswegen habe ich das Buch auch „Geschlossene Gesellschaft“ genannt, weil ich tatsächlich über Monate Menschen angeschrieben habe, von denen ich vermutet habe, dass sie reich sind. Man weiß es ja nicht genau, man kann es nur vermuten. Was ich erntete, war meist Schweigen. Mein Problem war, ich konnte ihnen nichts bieten. Ich konnte sie nicht reich machen – das waren sie schon. Ich konnte sie nicht berühmt machen – das waren sie auch schon. Ich konnte nur in ihr Leben eindringen. Deswegen musste ich hoffen, dass jemand wie Werner Kieser, der Chef der Kieser Fitnesskette, Humor versteht oder jemand anderes wie Rolf Sachs einen zum Reden braucht und mich so in sein Leben lässt.

GG: Sind Sie in der feinen Gesellschaft auch mal negativ aufgefallen?

DG: Besonders am Anfang bin ich negativ aufgefallen mit meinen normalen Manieren, also ich habe ja keine schlechten. Aber es gab gewisse Codes, die ich einfach nicht kannte. Ich war einmal auf einer Gala und fühlte mich vom dortigen Publikum schon etwas überfordert, die haben wahnsinnig viele Sprachen gesprochen und sie wussten, wie sie Smalltalk führen, ohne lästig zu sein. Einmal hatte mir eine Gräfin sogar böse ihren Ellbogen in die Hüfte gedrückt und gesagt, das müssen sie doch sehen. Ich sagte: „Was muss ich sehen?“  „Na dass mein Glas fast leer ist.“ Denn spätestens dann muss der Mann nachschenken.