Stürmische Zeiten stehen an

Ringlein, Ringlein, du musst wandern…
Stürmische Zeiten stehen an

„Ein wirklicher und aufrichtiger Freund ist das größte Gut des Herzens, das ein Mensch auf dieser Erde haben kann. Die Freundschaft schließt erst völlig den Ring des Glückes.“
Adalbert Stifter
 

Adalbert entwickelte in seiner Jugend und Studienzeit nicht nur eine Leidenschaft für die Literatur und Malerei, sondern auch für eine gewisse junge Dame, die mich und Adalbert quasi erst zusammengeführt hat:

Der Einladung seines Studienfreundes Mathias Greipl folgend, verbrachte Adalbert seine Ferien 1826 in Friedberg, nahe seiner Heimatstadt Oberplan. Wie er mir später erzählte, betrat er in diesem Sommer gleichermaßen beeindruckt und eingeschüchtert angesichts seiner eigenen einfachen Herkunft zum ersten Mal das äußerst beeindruckende und prunkvolle Haus der reichen Kaufmannsfamilie Greipl am Friedberger Stadtplatz, welches auch ich schon bald darauf kennenlernen durfte. Noch bevor Adalbert damals jedoch auch nur einen Schritt über die Schwelle der Eingangstür setzen konnte, fiel sein Blick auf Mathias jüngere Schwester Fanny, deren schwarze Augen ihn sogleich in ihren Bann zogen. Und von diesem Moment an, glaube ich, war es um ihn geschehen.

 

Friedberg an der Moldau.

Friedberg an der Moldau.

Quelle (Bild): Český Krumlov Tourism.

 

Schon bald schlossen Adalbert und Fanny Freundschaft. Von da an verbrachte er, so oft es ihm seine Studien in Wien erlaubten, gemeinsame Stunden mit seiner neu gewonnen Freundin in der alten Heimat.

Du fragst dich vielleicht, wann ich denn endlich ins Spiel komme. Nun, so genau kann ich dir leider nicht mehr sagen, wann Adalbert mich gekauft und zum ersten Mal mit nach Friedberg genommen hat, aber ich kann mich noch erinnern, dass er mich bei zahlreichen ihrer Treffen sicher in seiner Jackentasche verwahrt bei sich trug und nur auf den richtigen Moment zu warten schien, um Fanny seine wahren Gefühle für sie zu gestehen.

Glaube mir, ich habe meinen Freund Adalbert wahrlich selten so glückselig erlebt wie in dieser Zeit. Und auch mich erfasste ein beflügelndes Glücksgefühl, als mir klar wurde, welch große Rolle Adalbert mir scheinbar zugedachte.

Bei einem der Besuche in der von ihm so sehr geschätzten, deutsch-böhmischen Heimat fasste er sich schließlich ein Herz und gestand Fanny zum ersten Mal seine über bloße Freundschaft hinausgehenden Gefühle. Ich hörte ihn von Liebe sprechen, einer zarten Liebe, die er aber bereits vom ersten Augenblick an in der Tiefe seines Herzens verspürt hätte. Ich konnte seine Finger spüren, die sich um meine kleine Schmuckschatulle schlossen. Sollte mein großer Augenblick womöglich schon gekommen sein? Würde ich aus meinem samtenen Versteck hervorgeholt und gemeinsam mit meinen drei Moldauperlen von nun an Fannys linke Hand zieren? Auch wenn ich mir nichts sehnlicher wünschte, als das Symbol dieser jungen Liebe zu werde, sollte mein Wunsch noch nicht in Erfüllung gehen; Adalbert behielt mich nach wie vor sicher verborgen vor den Augen Fannys in seiner Tasche.

Seine Liebe hingegen verbarg er nicht: Von Wien aus schrieb Adalbert ihr zahlreiche Liebesbriefe, in der er Fanny seine Liebe wieder und wieder bekundete…

Quelle (Video): Český Krumlov Tourism/Unsplash.
Quelle (Musik): Dreams Become Real von Kevin MacLeod ist unter der Lizenz "Creative Commons Attribution" (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/) lizenziert. Quelle: http://incompetech.com/music/royalty-free/index.html?isrc=USUAN1500027. Künstler: http://incompetech.com/
Quelle (Literatur): Adalbert Stifter, Briefe. Tübingen/Stuttgart, 1947, S. 5.
 

Da Adalbert in Gedanken stets bei Fanny im schönen Böhmerwald verweilte und sich bereits Gedanken über eine gemeinsame Zukunft machte – eine Zukunft, die man vielleicht auch mit einem funkelnden Ring wie mir besiegeln könnte?! –, ward ihm sein Studium schnell unerträglich. Gefangen in der Eintönigkeit des Alltags sehnte er sich danach, seiner wahren Leidenschaft nachzugehen.