(K)ein Zuhause

Der Fall Aziz
(K)ein Zuhause

Besuch bei Aziz Familie

Leer. Einsam. Gespenstisch. Das waren die ersten Eindrücke, die uns durch den Kopf schossen, als wir das Flüchtlingsheim, in dem Aziz seit 2016 untergekommen ist, betraten. In den auffällig weiten Gängen war kaum ein Mensch zu sehen. Eine gewisse Traurigkeit überkam uns.

Wir kannten das Heim schon aus Aziz´ Erzählungen. Hier verbringt er den Großteil seiner Zeit, wohnt mit seinen fünf Verwandten in einem Zimmer und findet kaum Ruhe zum Lernen. Zweimal war die Polizei schon dort, um ihn abzuschieben.

Beim ersten Abschiebungsversuch drang die Polizei um fünf Uhr morgens in Aziz´ Wohnung ein. Dieser war völlig verängstigt und wusste zunächst nicht, was ihm wiederfährt. Bevor er mitgenommen werden konnte, sperrte er sich ins Bad ein, wo er eine Rasierklinge fand. Aus Verzweiflung und Angst, nach Afghanistan zurück zu müssen, versuchte er, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Beim Anblick des Blutes brach er zusammen. Als er im Krankenhaus aufwachte, war er ans Bett gefesselt. Panisch versuchte er Leute zu fragen, wo er war, was aufgrund der Sprachbarriere schwierig war.

Der zweite Abschiebungsversuch gestaltete sich noch traumatisierender für Aziz. Wieder kam die Polizei morgens in seine Wohnung, diesmal aber mit mehr Personen und Bewaffnung. Sie fesselten Aziz an Beinen, Händen und Hals, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Wenn er sich bewegte - wieder in Panik - zogen sich die Fesseln zusammen, so dass seine Hände und Beine taub wurden. Er wurde hinaus ins Polizeiauto getragen. Seine Tante, die das Ganze mit ansah, wurde ohnmächtig und zog sich eine schwere Kopfverletzung zu, als sie auf dem Betonboden aufschlug. Im Polizeiwagen verlor auch Aziz das Bewusstsein. Wieder wachte er im Krankenhaus auf. Man sagte ihm, er habe sehr viel Blut durch die Nase verloren und einer seiner Zähne fehle. Er erinnerte sich daran, dass ihn jemand ins Gesicht geschlagen hatte.

Aziz Cousinen mit Hannah

Aziz Cousinen mit Hannah

Das bedrückende Gefühl, das uns bei der Ankunft überkam, änderte sich schlagartig, als uns Aziz und seine Familie die Tür ihrer Wohnung öffneten. Herzlichkeit, Freude, Gastfreundschaft erfüllten den Raum. Jedes einzelne Familienmitglied begrüßte uns freudig, das Strahlen in ihren Augen war deutlich sichtbar. Sie boten uns einen Platz auf ihrem Sofa an und luden uns auf ein traditionelles Heißgetränk, Tee und Kekse ein. Wir spielten mit den Kindern der Familie - und als wir aufbrechen mussten, bat uns der Junge noch eine Nacht zu bleiben. Da wir das Angebot leider nicht annehmen konnten, lud uns Aziz´ Tante für ein nächstes Mal zum Essen ein. Diese Herzlichkeit, die uns an diesem Abend entgegen gebracht wurde, begleitete uns noch den ganzen Weg nach Hause.