Die zerbrochene Feder – Das Leben des Dichters Jan Skácel
Brünn - Wie man die Feder hält

Geboren am 7. Februar 1922 in Vnorovy bei Straßnitz in Südmähren, zeigte sich bereits während der Schulzeit Skacels einzigartige Persönlichkeit. Im Unterricht fiel er als ein finster dreinblickender Schüler auf, der ständig in die eigenen Gedanken vertieft war und auch schon einmal aufstand und ging, wenn es ihm beliebte, sodass ihm seine Lehrerin Helena Vojtová nur mit größter Geduld, aber letzten Endes erfolgreich beibringen konnte, „wie man die Feder hält“, so Skácel in einer persönlichen Widmung. Bei seinem ersten Kontakt mit der Lyrik verfasste der noch junge Janek den ersten von vielen Vierzeilern. 

Der Vollmond leuchtet wie ein Schwein,

die Katze saut die Stube ein,

und vor der Kirche heult ein Köter,

so was Schönes kennt nicht jeder.

„Darin steckt wirklich der ganze Skácel. So ist er später auch gewesen.“, kommentiert Reiner Kunze mit leisem Lächeln.

Bereits ein Jahr nach dem Abitur zogen die Nationalsozialisten Jan Skácel zu Zwangsarbeiten vorwiegend in Österreich ein. Doch auch in dieser schweren Zeit ließ ihn die Lyrik nicht allein. Im Arbeitslager erblickte das berühmte Gedicht „Der blaue Vogel“ das einerseits zwar düstere Licht der nationalsozialistischen Zeit, doch auch andererseits das strahlende Licht der Literaturwelt. Nach dem Krieg begann er Bohemistik und Russistik zu studieren, doch da ihm die Vorlesungen ebenso wenig zusagten wie die Schulstunden, brach er den Universitätsbesuch 1948 ab.

Anschließend arbeitete er zuerst als Redakteur bei der Brünner Tageszeitung „Rovnost“ (Gleichheit) und seit 1953 in der literarischen Abteilung des Brünner Rundfunks. Gleichwohl brillierte er besonders von 1963 – 1969 als Chefredakteur der Monatszeitschrift „Host do domu“ (Der Gast ins Haus), die unter seiner Leitung  außerordentlich berühmt wurde. „Für sie schrieb er wunderschöne Feuilletons, um derentwillen die Leute an dem Tag, an dem `Host do domu´ erschien, früh morgens an den Zeitungsständen Schlange standen. Er war in dieser Hinsicht sehr volkstümlich. Auf die ironisch tschechische Art, bitter humorvoll.“, erläutert Reiner Kunze. 

Doch es begannen bereits dunkle Wolken am Himmel über Brünn auf zuziehen.   

Bereits Ende Juni 1967 begründete der IV. Kongress des Tschechoslowakischen Schriftstellerverbandes den Anbruch des Prager Frühlings. Während er tagte, intensivierten sich die Spannungen zwischen der konservativen Parteiführung und den reformbereiten Schriftstellern. Zahlreiche Autoren kritisierten die strenge Zensur und Kontrolle durch die kommunistische Staatsführung. (vgl. hier, am 30.10.2015) 

Am 5. Januar 1968 ersetzte der slowakische Parteisekretär Alexander Dubček Staatspräsident Antonín Novotný als neuen Chef des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. Im April wurde die Sentenz des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zum Ziel der Parteiordnung erklärt.  Auch die Reformbewegung, die als „Prager Frühling“ in die Geschichte einging, nahm diesen Vorsatz als Leitgedanken und verweigerte sich innerhalb kurzer Zeit der Zensur der Staats- und Parteiführung. Doch bevor sich die Hoffnungen der Tschechoslowakei und auch des westlichen Europas auf eine schrittweise Lüftung des „Eisernen Vorhangs“ erfüllen konnten, beendete der gewaltsame Truppeneinmarsch des Warschauer Paktes in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 die anbahnenden Reformabenteuer. Es begann die Zeit der „Normalisierung“ (normalizace), die alle Reformmaßnahmen wieder rückgängig machte und in deren Zeit unzählige Landsleute, darunter vorwiegend Schriftsteller, Journalisten, Künstler und Wissenschaftler, entweder in den Westen emigrierten oder mit massiven Repressionen entlassen wurden und Berufsverbot erhielten.

(Vgl. hierzu: Joachim Bahlcke: Geschichte Tschechiens. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2014, S. 111f.) 

Bilder: Salome Sommer, Lillilan Joffroy

Text: Anja Richter