Skácels Haus in Brünn - Die kalte Zeit der Vierzeiler

Die zerbrochene Feder – Das Leben des Dichters Jan Skácel
Skácels Haus in Brünn - Die kalte Zeit der Vierzeiler

Ein Vierzeiler

Nach dem Schriftstellerkongress 1967 und den klaren Forderungen der Literaten schloss sich die eiserne Faust der Sowjetunion als Antwort auf den Prager Frühling 1968 erbarmungslos um die Tschechoslowakei.  Auch Jan Skácel traf das Schicksal 1969 hart, da nicht nur seine hochgeschätzte Zeitung verboten, sondern ihm selbst jegliche Publikation untersagt wurde. Auch seiner Frau Boženka, die zuvor im Rathaus „für die Zigeunerfragen* zuständig war“ (Rainer Kunze), wurde aus politischer Heimtücke heraus gekündigt.  Von nun an ohne Einnahmen, wurde das Ehepaar mittellos.

In einem Brief 1968 schrieb Skácel an seinen Freund Reiner Kunze: „Wir beide, Boženka und ich, sind sehr arm. Aber weil wir uns deshalb keine Sorgen machen – das ist kein Leichtsinn – sind wir eigentlich reich. Denn alles ist absurd.“

Wegen seiner belastenden Situation und seinem Widerstreben einen gesünderen Lebenswandel zu führen, blieb Skácel auch von schwerer Krankheit nicht verschont. In einem P.S. in einem Brief an Reiner Kunze bittet er: „Würdet ihr so gut sein, mir ein Medikament zu schicken, das Euphelin CR 350 heißt? Ich kann es bei uns nicht bekommen und der Arzt empfiehlt es mir dringend.“

Nach 1968 schrieb der Lyriker zwei Mal 100 Gedichte zu je vier Zeilen. Verbotenen Schriftstellern, wie Skácel, war es kurioserweise gestattet, 29 Exemplare von ihren Arbeiten mittels Durchschlägen auf der Schreibmaschine zu erstellen und zu verteilen - keines mehr!  

*Herr Kunze weist explizit darauf hin, dass zur damaligen Zeit dem Gebrauch des Wortes „Zigeuner“ kein diskriminierendes Verhalten zugrunde lag und daher objektiv in diesem Satzzusammenhang verwendet wird.

Ein weiterer Vierzeiler von Jan Skácel

Reiner Kunze spricht über die Gedichte Jan Skácels

„Was diese Gedichte bedeuteten, wie sie waren und wie sie einzuschätzen sind, dazu hat sich Milan Kundera 1985 schriftlich geäußert. Besser kann man es nicht sagen und vor allen Dingen ist er einer, der kompetent ist, das zu sagen. Kundera war 1968 emigriert, lebte seitdem in Frankreich und schrieb all seine Bücher auch auf Französisch. Jetzt sagte er folgendes:“ (Reiner Kunze):  

Milan Kundera über Jan Skácels Gedichte

Skácel galt insgesamt 12 Jahre lang als verboten.

Kamera: Lillian Joffroy, Salome Sommer, Anja Richter

Ton: Lillian Joffroy, Salome Sommer, Anja Richter

Schnitt: Salome Sommer

Bildrecht_Titelbild: cc Stiftung Zuhören

Text: Anja Richter