Die Angst

Konstantin Biebl - Freiheit im Freitod
Die Angst

Um die Angst verstehen zu können, die Konstantin Biebl zunehmend erdrückte, ist es wichtig, die Geschichte seines Bekannten, Záviš Kalandra, zu erzählen.

Ende Mai 1950, nach der Machtübernahme der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, begann in Prag der erste große politische Schauprozess gegen scheinbare Gegner des kommunistischen Regimes. Der sogenannte Horáková-Prozess, der nach der tschechisch-slowakischen Widerstandskämpferin und Frauenrechtlerin Milada Horáková benannt ist, wurde von sowjetischen Beratern und der Führung der kommunistischen Partei durchgeführt. Vorgeworfen wurde den Angeklagten, Teil einer „großen internationalen Verschwörung gegen die demokratischen Volksdemokratien“ zu sein. Der Vorwurf lautete also Spionage und Hochverrat. Unter den Beschuldigten waren Mitglieder der nationalen sozialistischen Partei, der Sozialdemokraten und der Volkspartei. Unter ihnen war auch Záviš Kalandra, tschechischer Historiker, Journalist, Publizist und Schriftsteller.

Záviš Kalandra als Opfer der Schau-Prozesse

Záviš Kalandra als Opfer der Schau-Prozesse
Záviš Kalandra (rechts neben seinem Kameraden Oldřich Pecl) wurde in den Schauprozessen zum Tode verurteilt. Foto: Czech News Agency

Záviš Kalandra, im Jahr 1902 geboren, trat bereits im jungen Alter der kommunistischen Partei bei. Nachdem er zusammen mit dem Journalist Josef Gutmann zwei regimekritische Broschüren verfasst hatte, wurde er im Alter von 35 Jahren aus der Partei ausgeschlossen und galt fortan als Verräter des kommunistischen Idealismus. Konsequenzen waren öffentliche Ablehnung, Abwendung des Bekanntenkreises und Publikationsverbot. Im November 1949 gipfelten diese Ereignisse in seiner Festnahme. Der Horáková-Prozess selbst gilt als eine Inszenierung in sich: Die Geständnisse wurden unter Folter erzwungen, Aussagen vor Gericht waren vorgeschrieben und auswendig gelernt.

Aus dem Prozess ergab sich für Kalandra das Todesurteil. Hochrangige Persönlichkeiten wie Albert Einstein, André Breton und Albert Camus setzten sich für die Begnadigung des Schriftstellers ein – jedoch vergeblich. Das Urteil wurde am 27. Juni  1950 durch Tod am Strang vollstreckt.

Der Horáková-Prozess schürte bei Konstantin Biebl die Angst. Er war nach der Machtübernahme der Kommunisten bereits öffentlich als Verächter des sozialistischen Realismus beschuldigt worden. Es schien für ihn nur eine Frage der Zeit, angeklagt und somit ein weiteres Opfer der kommunistischen Säuberungen zu werden. Diese These bestätigt auch der Dichter Reiner Kunze. Ihn verband eine langjährige Freundschaft mit Biebls Witwe Marie Bieblová.

Die Angst Konstantin Biebls

(Bilder im Video: Denkmal des nationalen Schrifttums / Památník národního písemnictví)